BGH: Unterlassungsanspruch gegen Vergabesperre auch ohne konkretes Vergabeverfahren!

 

Von Rechtsanwalt Oliver Hattig

 

Schließt ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen ohne hinreichenden sachlichen Grund generell von der Vergabe von Aufträgen oder der Teilnahme an Vergabeverfahren aus, steht dem ausgeschlossenen Unternehmen gegen die Umsetzung einer solchen rechtswidrigen Vergabesperre ein Unterlassungsanspruch zu. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 3.6.2020 (XIII ZR 22/19) entschieden. Das Urteil ist am 6.8.2020 veröffentlicht worden.

 

In dem konkreten Fall war ein eingetragener Verein, der wissenschaftliche Gutachten und Studien u. a. für öffentliche Auftraggeber erstellt, von der Senatsverwaltung eines Bundeslandes generell von deren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden, weil ein Mitarbeiter dieses Vereins mit der zuständigen Senatorin verheiratet ist. Mit seiner Klage verlangte der Verein, die verhängte Vergabesperre aufzuheben und alle Abteilungsleiter der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz anzuweisen, ihn bei künftigen Auftragsvergaben nach denselben Grundsätzen wie jeden anderen Bieter zu berücksichtigen. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht änderte das Urteil ab und wies die Klage ab. Dagegen wandte sich der Verein mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragte.

"Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet es, dass ein Unternehmen auch außerhalb eines Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB gegen eine Vergabesperre vorgehen kann"

Mit Erfolg. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Verein aufgrund seines Ausschlusses von Vergabeverfahren des beklagten Landes ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu. Der BGH entschied, dass der Verein die Möglichkeit haben müsse, sich gegen einen generellen Ausschluss aus Vergabeverfahren zu wehren, ohne abwarten zu müssen, bis er in einem konkreten Verfahren ausgeschlossen werde. Der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes erfordere es, so der BGH, dass das Unternehmen auch außerhalb eines Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gegen eine Vergabesperre vorgehen könne. Denn die generelle Nichtberücksichtigung in Vergabeverfahren sei nicht nur wirtschaftlich nachteilig, sondern könne auch geeignet sein, als Makel des Unternehmens im Wettbewerb wahrgenommen zu werden, etwa wenn das betroffene Unternehmen aufgrund seiner Stellung auf dem Markt und seines Angebots in der Vergangenheit in Vergabeverfahren regelmäßig zum Zuge kam. IZudem erfahre das von einer Vergabesprerre betroffene Unternehmen in Verfahrensarten wie der beschränkte Ausschreibung von seiner Nichtberücksichtigung gar nicht. In diesen Fällen habe es tatsächlich keine Möglichkeit, gegen seine Nichtberücksichtigung im konkreten Vergabeverfahren aufgrund der Vergabesperre vorzugehen. Selbst wenn es - wie im Streitfall - von seinem Ausschluss ausnahmsweise erfahre, habe es nicht notwendigerweise einen Anspruch darauf, zur Abgabe eines Angebots aufgefordert zu werden. Ohne die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit einer Vergabesperre unabhängig von einem konkreten Vergabeverfahren gerichtlich klären zu lassen, bliebe dem Unternehmen gegen eine rechtswidrige Vergabesperre jeglicher Rechtsschutz versagt, so der BGH.

"Ausschluss wegen eines Interessenkonflikts nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 GWB kommt nur als Ultima Ratio in Betracht"

Der Ausschluss war auch rechtswidrig. Denn der Ausschluss aus einem konkreten Vergabeverfahren wegen eines Interessenkonflikts könne nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 GWB nur als Ultima Ratio in Betracht kommen. Vorrangig sei die Pflicht des Auftraggebers, die Person, bei der ein Interessenskonflikt bestehe, von der Befassung mit konkreten Vergabeverfahren auszuschließen. Das gelte sowohl im Anwendungsbereich des GWB und der Vergabeverordnung (VgV) wie im Unterschwellenbereich.

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